Möchte man die Landschaft des Himalya beschreiben, so stellt man schnell fest, dass es aufgrund ihrer Vielfalt schier unmöglich ist. Er zeichnet sich als typisches Hochgebirge in seiner Ökologie durch verschiedene Höhenstufen in der Vegetation, des Klimas und der Böden aus (Leser 2005: 351). Auf die obere Waldgrenze folgen alpine Hochgebirgssteppen, alpine Rasenfluren, und Polsterhalbwüsten, die sich schließlich im Nivalbereich in einzelne Vegetationsinseln auflösen (Grabherr 1997: 297).
Um die Ökologie des Himalaya näher zu bringen, wird der Begriff hier noch einmal definiert, da er seit seiner Entstehung zahlreiche Wandlungen erfahren hat. So wird er heute etwa nicht nur für die Biologie verwendet, sondern erfreut sich auch in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften großer Beliebtheit. In diesem Kontext bedeutet er:
„Die Wissenschaft, die sich mit den Wechselbeziehungen zwischen den Organismen untereinander, zu ihrer Umwelt und deren Geoökofaktoren beschäftigt. Untersucht werden die Ökosysteme, die sich räumlich in den Ökotopen [...]repräsentieren“
(Leser 2005: 627).
Allen terrestrischen Ökosystemen gemein ist ihre völlige Abhängigkeit von der Sonne. Sie liefert die Energie für den Antrieb der Klimasysteme sowie für die Photosynthese der grünen Pflanzen. Von der dadurch entstehenden Phytomasse wird die Grundlage für Pflanzen fressende (phytopage) Tierarten geschaffen, die ihrerseits wieder die Nahrungsquelle für Fleisch fressende (carnivore) Tierarten darstellen. Abgestorbene Pflanzen- und Tierreste werden von Mikroorganismen zersetzt und stehen dann wiederum den Pflanzen als Nährstoffe zur Verfügung.
Die Hochgebirgsökosysteme sind jedoch nicht nur abhängig von der Sonneneinstrahlung, sondern auch vor allem von der Temperatur, die mit zunehmender Höhe stetig abnimmt. Weitere Einflussfaktoren sind das Wasser, welches in allen drei Aggregatzuständen auftritt, der Luftdruck, die benachbarten Lebensräume und die Morphologie.
Während und nach der Entstehung des Gebirges drangen von allen Seiten Pflanzensippen in die neuen Siedlungsräume ein, etwa von Süden die Elemente der tropisch-subtropischen, immergrünen und laubwerfenden Wälder, oder von Norden die Sträucher, Gräser und Kräuter der mittel- und zentralasiatischen Steppen und Halbwüsten. So trifft man heute typische Pflanzenformationen an, die von Osten nach Westen, von unten nach oben an der Nord- und Südseite des Gebirges aufeinander folgen (Succow 1989: 217).
Die Wälder im Himalaya kommen von seinem Fuße bis zu einer Höhe von etwa 4000 bis 4300 m ü NN vor, im Nordwesthimalaya liegt die Waldgrenze etwas niedriger bei etwa 3200 Metern. Sie ist normalerweise kältebedingt, auf der Nordseite spielt allerdings auch der Wasserfaktor eine Rolle (Grabherr 1997: 297). Auf tropische, vom Monsun beeinflusste, Regenwälder folgen subtropische immergrüne Bergwälder, moosepiphytenreiche Bergregenwälder, Rhododendronwälder, Laub-Nadel-Mischwälder und Nadel- oder Birkenwäldern an der oberen Waldgrenze. Fast überall findet man dort die Himalaya-Birke (Betula utilis), sowie Tannen. Durchgehend ist die Himalaya-Tanne (Abies spectabilis) vertreten, im Westen und Osten gibt es die Westhimalaya- und die Osthimalaya-Tanne (Abies pindrow und Abies densa). Lokal treten auch andere Koniferen (Lärchen (Larix), Fichten (Picea), Kiefern (Pinus), Wacholder (Juniperus)), Rhododendren, eine Gattung aus der Familie der Heidekrautgewächse (Ericaceae), (vorwiegend im Osten) und selten sogar Eichen (Quercus) auf (Succow 1989: 219).
Anschließend an die Waldgesellschaften ist eine schmale, durchgehende Krummholz und Gebüschstufe ausgebildet. Typisch hierfür sind Rhododendron, meist in Form des Glockenrhododendrons (Rhododendron campanulatum), und Juniperus, meist in Form des Schuppenwacholders (J. squamata) sowie des Krummwacholders (J. recurva). An trockenen Standorten kommen zudem neben Rhododendren Berberitzen (Berberis-Arten), Heckenrosen (Rosa), Heckenkirschen (v.a. Lonicera myrtillus) und Fels- oder Zwergstrauchmispeln (Cotoneaster-Arten) als Kleinsträucher vor. Weiter oben bilden sie mit anderen Sippen Zwergstrauchheiden. (Succow 1989: 219). Die Pflanzen sind hier vor allem vom Niederschlag abhängig, der mit der Höhe zunimmt. Zudem gewinnt die Verteilung des Schnees im Winter und somit Schneeboden-/Windkanteneffekte an Bedeutung (Grabherr 1997: 299). Ab 4600 Metern, im West- und Nordwesthimalaya teilweise schon bei 4000 Metern, löst sich die geschlossene Pflanzendecke in kleinere Inseln auf. Es mehren sich Schutt- und Felsflächen. Ab 4800 Metern breiten sich Dauerschneeflächen aus, sodass es ab 5600 Metern nur noch wenige Standorte gibt, an denen sich Pflanzen überhaupt niederlassen können. Die Dauer der Vegetationsperiode nimmt kontinuierlich ab. Bei 4600 Metern sind es etwa noch drei bis vier Monate, bei 5200 Metern Höhe nur noch fünf bis sieben Wochen.
Mit dem Übergang von der alpinen in die subnivale Stufe nimmt der Anteil an Pflanzen höherer Sippen kontinuierlich ab. Bei 5000 Metern ü NN wurden noch rund einhundert Blütenpflanzengattungen registriert, darunter die Gattungen Primel (Primula) und Enzian (Gentiana).Oberhalb von 6000 Metern wurden bisher nur noch um die sechs Blütenpflanzen-Gattungen gezählt (Succow 1989: 221).
Um sich an die unwirtlichen Bedingungen anzupassen, haben die Pflanzen die verschiedensten Strategien: Die Polsterpflanzen haben ein regelmäßiges und sehr dicht verzweigtes Sproßsystem, dessen rosettig beblätterte Enden fest aneinander gepresst sind und deshalb eine halbkugelige Form haben. Die Blüten sitzen auf der Oberfläche des Polsters (Succow 1989: 221). Solche Polsterfluren an der Grenze zum nivalen Bereich wirken als Schneefänger. (Grabherr 1997: 299). Eine andere Möglichkeit der Anpassung haben die Pflanzenzwerge gefunden; Die Miniprimel (Primula minutissima) ist dabei ein eindrucksvolles Beispiel. Ihre Blätter werden selten länger als 10 mm, die Blüten haben einen Durchmesser von 8 bis 15 mm. Oberhalb der Gefäßpflanzen kommen noch Moose, Flechten und auch Pilze vor (Succow 1989: 222). Zur Kompensation des sehr geringen Wachstums, das aus der kurzen Vegetationsperiode resultiert, werden die Hochgebirgspflanzen mehrere Zehner Jahre alt. In den Alpen, die man durchaus mit dem Himalaya vergleichen kann, wurde etwa für die Rostblättrige Alpenrose (Rhododendron ferrugineum) ein Alter von 88 Jahren gemessen (Franz 1994: 9).
Alpine Grasfluren wiederum, wie der Europäer sie aus den Alpen kennt, waren eigentlich untypisch für den Himalaya. Erst die starke Beweidung durch Yaks und die Einwirkung des Menschen (Abbrennen der Büsche) haben dazu geführt, dass sich regelrechte „Almen“ ausbildeten (Succow 1989: 20). Bedenkenswert bei der Beweidung durch Yaks ist allerdings die zunehmende Zerstörung der Rasenfluren. Ist die Grasdecke durch die Hufe der Tiere einmal aufgerissen, bläst der Wind kontinuierlich den darunter liegenden Boden aus, der damit unwiederbringlich verloren geht. Da das Halten von Tieren im Hochgebirge allerdings wichtiger Bestandteil des (Über-)Lebens ist, wird sich dieses Problem in naher Zukunft nicht beheben lassen.
Literatur:
Franz (1994): Die Fragilität der Ökosysteme des Hochgebirges; aus: Gefährdung und Schutz der Alpen; Österreichische Akademie der Wissenschaften; Bd.5; S. 7-13
Goudie (2002): Physische Geographie- Eine Einführung; Spektrum Akademischer Verlag; Heidelberg; 4. Auflage
Grabherr (1997): Farbatlas Ökosysteme der Erde; Ulmer; Stuttgart
Leser (2005): DIERCKE- Wörterbuch Allgemeine Geographie; DTV; Nördlingen; 13. Auflage
Succow et al (1989): Hochgebirge der Erde; Kranich Verlag; Leipzig